Dyskalkulie und Lese-Rechtschreibschwäche
Viele Eltern fragen sich, warum ihr Kind trotz Üben, Geduld und Förderung beim Lesen, Schreiben oder Rechnen einfach nicht vorankommt. Lernschwierigkeiten wie Lese-Rechtschreibschwäche oder Dyskalkulie entstehen nie „aus dem Nichts“. Häufig wirken mehrere Faktoren zusammen – darunter auch nicht vollständig integrierte frühkindliche Reflexe.
Was sind frühkindliche Reflexe?
Frühkindliche Reflexe sind automatische Bewegungsmuster, mit denen Babys die ersten Lebensmonate überbrücken. Sie helfen beim Überleben, bei der Reifung des Nervensystems und bei der Vorbereitung auf spätere Fähigkeiten wie Aufrichtung, Krabbeln, Gleichgewicht, Koordination und Konzentration.
Normalerweise bauen sich diese Reflexe im Laufe der Entwicklung ab – sie werden „integriert“.
Ist das nicht der Fall, bleiben sie als Restreaktionen bestehen und können später Lern- und Verhaltensbereiche beeinflussen.
Zusammenhang zwischen Reflexen und Lese-Rechtschreibschwäche
Für das Lesen und Schreiben braucht ein Kind ein gut vernetztes Zusammenspiel aus Augenbewegungen, Körperhaltung, Feinmotorik, Sprachverarbeitung und Konzentration. Einzelne Restreflexe können diese Bereiche deutlich stören.
Häufig betroffene Reflexe:
1. Der ATNR (Asymmetrisch Tonischer Nackenreflex)
Der Kopf dreht sich – der Arm streckt sich.
Bleibt dieser Reflex aktiv, kann das Folgen haben:
- Schwierigkeiten, den Blick flüssig über eine Zeile zu führen
- Verdrehen des Körpers beim Schreiben
- Buchstabenverdrehungen (b/d, p/q)
- schnelles Ermüden beim Lesen
2. Der STNR (Symmetrisch Tonischer Nackenreflex)
Dieser Reflex trennt Ober- und Unterkörperbewegung.
Wenn er bleibt, wirkt sich das aus auf:
- Sitzhaltung (ständiges Rutschen, Kniensitz, „Wackelsitz“)
- visuelle Orientierung
- Ausdauer beim Schreiben
3. Der Moro-Reflex (Schreckreflex)
Ein nicht integrierter Moro sorgt für eine schnelle Reizüberflutung und Stressreaktion.
Folgen können sein:
- Probleme mit Konzentration und Impulskontrolle
- geringe Frustrationstoleranz
- Schwierigkeiten, neue Informationen aufzunehmen
- Überforderung beim Lesen längerer Texte
Zusammenhang zwischen Reflexen und Dyskalkulie
Rechnen ist weit mehr als Zahlen verstehen. Kinder benötigen Körpergefühl, Raumorientierung, Rhythmus, visuelle Koordination und Arbeitsgedächtnis.
Reflexe, die häufig auffallen:
1. Der Spinal-Galant-Reflex
Er beeinflusst Körpermitte, Orientierung und Ruhe.
Mögliche Auswirkungen:
- Probleme, „links/rechts“ sicher zu unterscheiden
- Schwierigkeiten beim Übertragen von Mengen ins abstrakte Denken
- schnelles Ablenken im Sitzen (Hüfte reagiert auf Reize)
2. Der TLR (Tonischer Labyrinthreflex)
Er steuert Gleichgewicht und Körperspannung.
Wenn er aktiv bleibt:
- Probleme in der Raumorientierung – wichtig für Mengen, Reihenfolgen, Stellenwerte
- Anstrengung beim Still-Sitzen, dadurch weniger Kapazität für Rechenprozesse
- Unsicherheiten beim Abschätzen von Größen
Warum Reflexintegration helfen kann
Reflexintegration setzt beim Ursprung an: dem Nervensystem.
Durch gezielte, wiederholte Bewegungen – ähnlich den natürlichen Entwicklungsschritten – wird das Gehirn dabei unterstützt, Reflexe nachträglich zu integrieren.
Das kann dazu führen, dass:
- die Blicksteuerung leichter und stabiler wird
- die Sitzhaltung stabiler wird
- das Konzentrationsvermögen steigt
- die visuelle Wahrnehmung klarer wird
- Lesen, Schreiben und Rechnen weniger Kraft kosten
Reflexintegration ist kein Ersatz für Lerntherapie, aber sie kann eine entscheidende Grundlage schaffen, damit Lernen überhaupt leichter möglich wird.
Für wen ist Reflexintegration sinnvoll?
- Kinder mit anhaltenden Problemen beim Lesen, Schreiben oder Rechnen
- Kinder, die trotz Üben nicht vorankommen
- Kinder, die motorisch unruhig sind oder schlecht stillsitzen können
- Kinder, die sich leicht überfordert fühlen
- Kinder, die links/rechts schwer unterscheiden können oder Buchstaben und Zahlen verdrehen
- Kinder mit auffälliger Körperhaltung oder Koordinationsschwierigkeiten
Fazit
Nicht integrierte Reflexe sind unsichtbare Stolpersteine. Sie führen nicht direkt zu Lese-Rechtschreibschwäche oder Dyskalkulie – aber sie können entscheidende Fähigkeiten blockieren, die für erfolgreiches Lernen notwendig sind.
Wenn ein Kind trotz guter Förderung Mühe hat, lohnt es sich, einen Blick auf die frühkindlichen Reflexe zu werfen. Die Erfahrung zeigt: Sobald der Körper „frei“ ist, kann das Lernen endlich leichter fließen.




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